Sie sitzen endlich am Verhandlungstisch. Ein vielversprechender Deal steht in Aussicht, möglicherweise ein neuer Vertrag, der Ihrer beruflichen Zukunft einen kräftigen Schub verleihen könnte. Doch kaum sind die ersten Worte gewechselt, wird klar: Ihr Gegenüber hat knallharte Vorstellungen, pocht auf starre Konditionen und lässt kaum Spielraum erkennen. Müssen Sie nun von Ihren Plänen abrücken, sich mit einem ungünstigen Ergebnis zufrieden geben oder gar ohne Einigung wieder aufstehen? Nicht unbedingt. Denn in solchen Momenten kann Ihre BATNA den entscheidenden Unterschied ausmachen.
Doch was genau verbirgt sich hinter dem Begriff “BATNA” und wie können Sie ihn zu Ihrem Vorteil nutzen?
Der Begriff BATNA steht für „Best Alternative To a Negotiated Agreement“, was übersetzt „Beste Alternative zu einer ausgehandelten Vereinbarung“ bedeutet. Dieses von Roger Fisher und William Ury geprägte Konzept ist im Grunde simpel: Sie brauchen einen Plan B. Und zwar einen richtig guten. Denn wer weiß, dass er Alternativen hat, verhandelt anders.
Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie verhandeln über eine neue Position in Ihrem Unternehmen. Mit einer bereits unterschriftsreifen Zusage eines anderen Arbeitgebers in der Tasche sieht die Welt gleich ganz anders aus. Sie können selbstbewusster auftreten, auch mal Nein sagen – und vor allem: Sie müssen den Deal nicht um jeden Preis machen.
Denn genau das ist die Stärke der BATNA: Sie schafft Ihnen Verhandlungsspielraum und wirkt wie ein unsichtbarer Schutzschild. Sie müssen sich nicht länger auf Bedingungen einlassen, die Ihnen nicht zusagen, und können Ihre eigenen Vorstellungen klar vertreten. Statt von den Forderungen Ihres Gegenübers getrieben zu werden, verschieben Sie das Machtgleichgewicht – und zwar zu Ihren Gunsten. Mit einer starken BATNA können Sie sich zurücklehnen und mit einer „Was wäre wenn?“-Haltung in die Verhandlung gehen.
Das heißt jedoch nicht, dass eine BATNA automatisch bedeutet, dass Sie eine Verhandlung abbrechen. Im Gegenteil: Oft hilft die Gewissheit einer Alternative dabei, kreativer nach Lösungen zu suchen. Wer nicht gezwungen ist, sich auf einen Kompromiss einzulassen, der ihm schadet, kann auf Augenhöhe verhandeln und zugleich flexibler agieren.
Doch solche Alternativen fallen nicht vom Himmel. Sie erfordern ein klares Verständnis Ihrer Situation, strategisches Denken und eine gründliche Vorbereitung. Eine BATNA ist kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis bewusster Planung – und genau diese Vorbereitung entscheidet letztlich, wie wirkungsvoll Ihre Verhandlungsposition ist.
Wie kann eine starke BATNA entwickelt werden?
Die Entwicklung einer starken BATNA gleicht dem Aufbau eines Sicherheitsnetzes – je engmaschiger es geknüpft ist, desto besser trägt es Sie durch kritische Verhandlungsphasen. Der systematische Aufbau erfolgt dabei in mehreren Schritten, die Sie sorgfältig durchlaufen sollten.
Der erste Schritt besteht darin, Ihre Situation vollständig zu durchleuchten und sich mit kritischen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Solche Fragestellungen könnten lauten: Was passiert, wenn es keine Einigung gibt? Was passiert, wenn nichts passiert? Was passiert, wenn mir gedroht wird? Was mache ich, wenn mein Gegenüber blockiert?
Wer diese Frage beantworten kann, hat bereits den Grundstein gelegt, um Alternativen zu schaffen, die nicht nur Sicherheit bieten, sondern Ihre Verhandlungsposition entscheidend verbessern.
Doch wie werden solche Alternativen konkret? Es reicht nicht aus, mögliche Optionen vage im Hinterkopf zu haben. Eine BATNA gewinnt an Stärke, wenn sie greifbar und belastbar ist. Stellen Sie sich vor, Sie verhandeln über eine Partnerschaft. Eine schwache BATNA wäre die bloße Idee, vielleicht mit einem anderen Partner zu sprechen. Eine starke BATNA hingegen ist ein konkretes Angebot – verhandelt, geprüft und startklar. Sie sehen den Unterschied?
Die Stärke einer BATNA liegt in der Substanz, nicht in der Theorie!
Die Definition einer BATNA verlangt strategisches Denken.
Fragen Sie sich deshalb: Welche Möglichkeiten stehen mir offen, die nicht von der aktuellen Verhandlung abhängen? Gibt es andere Angebote? Kann ich Ressourcen umschichten, um unabhängig zu bleiben? Wer könnte mir noch eine Lösung zur Verfügung? Wer würde noch für die Umsetzung behilflich sein können? Wer hätte Interesse an einer Einigung?
Wer in Optionen denkt, bleibt flexibel.
Entscheidend ist vor allem Ihre ehrliche Bereitschaft, die Alternative nutzen zu wollen und zu nutzen, wenn es “Hart auf Hart” kommt. Das bedeutet im nächsten Schritt, sich auch mit noch bequemeren Fragestellungen zu beschäftigen: Bin ich bereit, diesen Weg tatsächlich zu gehen? Kann ich mit den daraus resultierenden Konsequenzen leben? Will ich mit den Konsequenzen leben?
Eine BATNA, die nur zur Schau gestellt wird, verliert ihre Wirkung schneller, als Ihr Gegenüber „Kompromiss“ sagen kann.
Deshalb ist die mentale Vorbereitung auf den möglichen Einsatz Ihrer BATNA dabei entscheidend. Eine Alternative, die Sie innerlich bereits abgelehnt haben, wird Sie in der Verhandlung nicht stärken. Nehmen Sie sich daher Zeit, sich mit Ihren Optionen nicht nur rational, sondern auch emotional auseinanderzusetzen. Spielen Sie verschiedene Szenarien durch und machen Sie sich mit dem Gedanken vertraut, Ihre BATNA tatsächlich zu aktivieren.
Dabei hilft es, die BATNA nicht als Notlösung oder minderwertigen Ersatz zu betrachten, sondern als gleichwertige Alternative. Analysieren Sie deren Vor- und Nachteile nüchtern und objektiv. Was spricht für die Alternative? Welche neuen Chancen könnten sich daraus ergeben? Je besser Sie die positiven Aspekte Ihrer BATNA kennen und wertschätzen, desto überzeugender werden Sie in der Verhandlung auftreten.
Eine professionelle Herangehensweise bedeutet auch, Ihre BATNA kontinuierlich weiterzuentwickeln. Märkte verändern sich, neue Möglichkeiten entstehen, andere verschwinden. Bleiben Sie daher flexibel und offen für neue Optionen. Pflegen Sie relevante Kontakte, beobachten Sie den Markt und halten Sie Ihre Alternativen aktuell. Eine veraltete oder nicht mehr verfügbare BATNA ist wertlos.
Besonders wichtig ist zudem die konkrete Umsetzbarkeit Ihrer BATNA. Klären Sie im Vorfeld alle wichtigen Parameter: Zeitrahmen, Ressourcenbedarf, rechtliche Aspekte, erforderliche Genehmigungen oder Zustimmungen. Je detaillierter Sie die Realisierung durchdacht haben, desto selbstbewusster können Sie auftreten. Eine BATNA, deren praktische Umsetzung Sie nicht durchdrungen haben, wird Sie in kritischen Verhandlungsmomenten eher verunsichern als stärken.
Der geschickte Einsatz der BATNA am Verhandlungstisch
Die Art und Weise, wie Sie Ihre BATNA in der konkreten Verhandlungssituation einsetzen, kann über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Dabei gleicht der geschickte Umgang mit der BATNA einem Balanceakt: Zu offensiv kommuniziert, kann sie als Drohung wahrgenommen werden und die Atmosphäre vergiften. Zu defensiv eingesetzt, verpufft ihre stärkende Wirkung.
Als erfahrene Verhandlungsführerin setze ich die BATNA oft indirekt ein – durch eine selbstbewusste Körpersprache, gelassene Reaktionen auf Druck und die Fähigkeit, auch mal „Nein“ zu sagen. Die bloße Gewissheit einer soliden Alternative verleiht Ihnen eine natürliche Autorität, die Ihr Gegenüber spürt, ohne dass Sie sie explizit aussprechen müssen.
Besonders wertvoll ist eine starke BATNA in kritischen Verhandlungsphasen. Wenn Ihr Verhandlungspartner beispielsweise mit Zeitdruck arbeitet oder unrealistische Forderungen stellt, hilft Ihnen die BATNA, einen kühlen Kopf zu bewahren. Sie können sich die Zeit nehmen, Angebote gründlich zu prüfen und Alternativen abzuwägen, statt aus einer Position der Schwäche heraus vorschnelle Kompromisse einzugehen.
Dabei ist es wichtig, die BATNA nicht als Druckmittel zu missbrauchen. Formulierungen wie „Dann gehe ich eben zur Konkurrenz“ sind meist kontraproduktiv. Stattdessen können Sie Ihre Alternative als konstruktives Element in die Verhandlung einbringen: „Ich sehe durchaus verschiedene Wege, um meine Ziele zu erreichen.“ „Lassen Sie uns gemeinsam nach einer Lösung suchen, die für beide Seiten optimal ist.“
Der strategisch kluge Einsatz einer BATNA zeigt sich auch darin, dem Verhandlungspartner einen gesichtswahrenden Ausstieg zu ermöglichen. Selbst wenn Sie Ihre Alternative wahrnehmen müssen, sollten Sie die Beziehungsebene nicht beschädigen.
Wenn sich keine BATNA finden lässt – Strategien für scheinbar ausweglose SituationenLektionen aus dem Scheitern der Ampelkoalition
Es gibt Verhandlungssituationen, in denen sich trotz sorgfältiger Suche keine echte Alternative abzeichnet. Vielleicht sind Sie in einem sehr spezialisierten Markt tätig, haben bereits viel in die bestehende Beziehung investiert oder stehen unter besonderem Zeitdruck. In solchen Fällen könnte die Versuchung groß sein, sich dem Verhandlungspartner ausgeliefert zu fühlen.
Doch selbst ohne klassische BATNA gibt es Wege, Ihre Verhandlungsposition zu stärken. Der erste Schritt besteht darin, Ihre scheinbare Alternativlosigkeit kritisch zu hinterfragen. Oft erscheinen Optionen zunächst unrealistisch oder zu aufwändig, können aber bei näherer Betrachtung durchaus machbar sein. Manchmal liegt die Alternative auch in der zeitlichen Verschiebung: Können Sie die Entscheidung vertagen? Lässt sich ein Teilaspekt vorziehen, während Sie für den Rest weitere Optionen entwickeln?
Eine weitere Strategie ist die Entwicklung einer „künstlichen BATNA“. Dabei analysieren Sie genau, was im absoluten Worst Case passieren würde – also wenn gar keine Einigung zustande kommt. Oft stellt sich heraus, dass selbst dieses Szenario, so unangenehm es auch sein mag, handhabbar ist. Diese Erkenntnis allein kann Ihnen bereits mehr Verhandlungsspielraum verschaffen. Denn wer seinen „Point of Walking Away“ kennt, verhandelt automatisch selbstbewusster.
Falls sich keine externen Alternativen bieten, richten Sie den Blick nach innen: Welche internen Ressourcen könnten Sie anders einsetzen? Gibt es Möglichkeiten zur Umstrukturierung oder Neuausrichtung? Manchmal liegt die beste Alternative nicht im „Woanders“, sondern im „Anders“. Und gerade im ‚Anders‘ finden Sie oft das Ass, das Ihre Verhandlungsposition stärkt. Seien Sie mutig, denken Sie kreativ, und machen Sie sich daran, Ihre eigene BATNA zu schmieden – viel Spaß dabei!