Lass uns ein kleines Experiment machen. Nimm dir bitte einen Handspiegel und schaue hinein. Jetzt sag deinem Spiegelbild bitte nur durch deine Mimik „Nein!“. Was siehst du? Ein Zusammenziehen der Augenbrauen, leicht gepresste Lippen, die Mundwinkel sind dezent nach unten gezogen, der Kinnbuckel hebt sich, vielleicht schüttelst du sogar den Kopf.
Genau diesen Ausdruck bzw. diese mimischen Bewegungen habe ich vor kurzem für einen kurzen Moment bei dem Gesprächspartner meines Klienten gesehen, der mich im Rahmen einer Verhandlung als Berater hinzugezogen hatte. Mein Klient bemerkte diese Signale ebenfalls.
Das typische Nein-Gesicht
Wie sah die prototypische Nein-Mimik aus? Denk an dein eben durchgeführtes „Spiegel-Experiment“. In der Studie zogen 96,21 Prozent der Probanden die Augenbrauen zusammen, 71,21 Prozent hoben den Kinnbuckel an und 71,97 Prozent pressten die Lippen zusammen und/oder pressten einen Mundwinkel ein.
Eine Forschergruppe der Ohio Universität hat in einer Studie (veröffentlicht im Journal Cognition am Montag, 28. März 2016) einen Gesichtsausdruck entdeckt, der kulturübergreifend gleich als Ausdruck einer negativen Emotion im Sinne einer Verneinung, eines Einwands verstanden wird. Die Forschergruppe rund um C. Fabian Benitez-Quiroz analysierte die Gesichtsausdrücke von 158 Personen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund. Die Aufforderung lautete: „Zeigen Sie einen Gesichtsausdruck, der ein klares Nein ausdrückt!“
Ich sehe, was du denkst
Zusätzlich analysierten die Forscher Videosequenzen aus dem realen Leben, um zu überprüfen, ob sich der Gesichtsausdruck nicht nur im Labor sondern auch unter natürlichen Bedingungen zeigt. Und sie wurden fündig.
Das „Not-Face“ – so haben die Forscher ihre Entdeckung genannt – ist also ein Gesichtsausdruck, der uns in Gesprächssituationen nonverbal den Hinweis auf einen Einwand bei unserem Gegenüber gibt.
Die Entdeckung des Not-Face ist aber noch weit mehr. Sie gibt einen Einblick darin, wie sich unsere Sprache ausgehend von der Mimik entwickelt hat: Stück für Stück haben Worte in der Evolution mimische Ausdrücke ersetzt. Fortgesetzt bis zum heutigen Tag, wo wir in unserer täglichen Kommunikation den Worten die meiste Beachtung schenken und die Ausdruckskraft der stillen Sprache der Mimik nahezu vergessen haben. In einem weiteren Experiment untersuchten die Forscher, in welcher Geschwindigkeit das Not-Face über das Gesicht huscht. Um dies zu analysieren, filmten sie 26 Versuchspersonen während diese sprachen. Auch in diesem Versuch achteten die Wissenschaftler darauf, dass die Probanden unterschiedliche kulturelle Hintergründe hatten.
Was hat Sprache mit Mimik zu tun?
Für die Studie wählten sie spezielle kulturelle Hintergründe aus, die verschiedene grammatikalische Ursprünge haben: Englisch, Spanisch und Mandarin. Die Frequenz, in der das Not-Face sich zeigte, betrug im Durchschnitt 5,68 Hz (ca. 170 Millisekunden). Das liegt in der Spanne von 3 bis 8 Hz, die wir in der Sprache zur Produktion von Wortsilben nutzen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass Mimik, in diesem Fall das Not-Face, als grammatikalischer Marker (hier für eine Verneinung) genutzt wird. Es zeigt die Verbindung mimischer Signale zur Entwicklung der Sprache. Es gilt also in Zukunft besonders darauf zu achten, die schnellen und feinen Bewegungen der Mimik zu sehen, wenn man das Not-Face entdecken möchte.
Das Not-Face zu erkennen, kann dir in Verhandlungssituationen, wie bei meinem Klienten, oder auch in anderen beruflichen Konstellationen einen entscheidenden Vorsprung verschaffen. Insbesondere dann, wenn der Einwand oder sogar eine vorhandene Ablehnung, von unserem Gegenüber gar nicht ausgesprochen wird. Wenn dir Einwandsignale bewusst sind, kannst du Widerstände leichter erkennen und berücksichtigen.
Menschen zu verstehen ist die Währung des 21. Jahrhunderts
Deine Wiebke Marschner