„Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht.“
Wo immer sich Menschen in einem sozialen Miteinander begegnen, in dem Positionen zu besetzen sind, werden Machtkämpfe ausgetragen. Dieser Erkenntnis müssen wir uns stellen. Selbst wenn wir uns aus den Kämpfen um die Verteilung der Macht heraushalten wollen, kommen wir in bestimmten Situationen nicht umhin, uns mit ihnen auseinanderzusetzen.
Deshalb ist es wichtig, Strategien im Kampf um die Macht zu erkennen, um ihnen mit einer eigenen Strategie zu begegnen – denn Macht muss nicht per se schlecht sein.
Das Spiel um die Macht
Machtspiele werden geführt, weil Menschen ihre eigenen Interessen durchsetzen wollen. Dabei werden im Zweifelsfalle die Interessen des Gegenübers verletzt, wenn sie den eigenen Ansprüchen entgegenstehen.
Damit Sie in diesem Kampf nicht das Nachsehen haben, ist es ratsam zu lernen, Machtspiele sicher zu identifizieren. So können Sie überlegt reagieren und schließlich Ihre eigene Position behaupten.
Die amerikanischen Psychologen John R. P. French und Bertram H. Raven stellen in ihrem Standardwerk über die Machtbasentheorie fest, dass Macht einen relationalen Charakter hat; sie setzt voraus, dass Menschen zueinander in Beziehungen stehen – diese kann sowohl privater als auch beruflicher Natur sein. French und Raven unterscheiden zwischen verschiedenen Ansätzen, durch die Macht ausgeübt wird:
- Belohnung
- Bestrafung
- Identifikation
- Legitimation
- Sachkenntnis
Die Regeln des Spiels um Macht
Um Macht auszuüben, bedarf es bestimmter Voraussetzungen; psychologischen und empathischen Einfühlungsvermögens, einer machtvollen Position in der sozialen oder beruflichen Hierarchie und eines Wissensvorsprungs – vor allem aber des Willens, die eigenen Mittel spielerisch vor dem Gegenüber einzusetzen. Dies muss keineswegs in böser Absicht oder zum Nachteil des Gegenübers geschehen.
Macht durch Identifikation:
Sie gründet auf dem Charisma des Machtinhabers. Dabei ruft der Machtausübende bei der Bezugsperson ein Gefühl der Verbundenheit hervor und erhält dadurch Einfluss auf ihre Emotionen ebenso wie auf ihre Ziele und Absichten. Die beeinflusste Person will sich mit den positiven Eigenschaften und Qualitäten des Machtinhabers identifizieren und gewinnt Befriedigung aus ihrer Zugehörigkeit zum “inneren Zirkel”.
Gefährlich wird es, wenn Machtausübung manipulativ wird oder nur dem Selbstzweck dient. Hier stellt sich die Frage, ob man dagegenhalten, mitspielen oder das Spiel durchkreuzen soll.
Eindeutiges Foulspiel erkennen:
Unfair sind Machtspiele, die dazu genutzt werden, eine Person zum Zweck der eigenen Erhöhung zu diskreditieren, sie zu überfordern oder in anderer Weise in die Ecke zu drängen.
Dabei macht es einen Unterschied, ob ein Gefälle zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden vorliegt, oder ob es sich um Rivalitäten innerhalb gleichgestellter Kollegen handelt. Wichtig ist vor allem, die Spielzüge des “mobbenden” Machtausübenden zu durchschauen und daraus eine eigene Handlungsposition abzuleiten.
So kann es sein, dass jemand in leitender Funktion seinen Führungsanspruch behauptet, indem er sich etwas herausnimmt, was für alle anderen sofortige Konsequenzen zur Folge hätte. Ein Beispiel für eine solche Grenzüberschreitung wäre, ein Teammitglied vor versammelter Gruppe anzuschreien.
Oder aber der Kollege, der das Weiterkommen eines Gleichgestellten behindern oder sich selbst profilieren will. Werden dabei unfaire Mittel eingesetzt, die in einer regelrechten Intrige münden, muss man sich diesem Machtkampf entschieden stellen. Hierbei hilft nur konfrontatives Vorgehen: die eigenen Leistungen transparent machen, Standpunkte fundiert und offensiv vertreten und damit das rufschädigende Verhalten des missgünstigen Kollegen für alle sichtbar offenlegen.
Eigene Macht-Spielzüge entwickeln
Kein sozialer Raum ist frei von Spielen um die Macht. Welcher Art von Machtspiel Sie auch ausgesetzt sein mögen: Sie sind klar im Vorteil, wenn Sie dessen Mechanismen durchschauen und daraus ableiten, wie Sie ihnen am besten entgegentreten können.
Als Donald Trump im Januar 2017 zum Präsidenten der Vereinigten Staaten ernannt wurde, zogen mit ihm neue Sitten ins Weiße Haus ein – unter anderem eine sehr körperbetonte Begrüßungszeremonie von Kollegen und Staatsgästen. Vom Ergreifen der Hand inklusive Schütteln des Armes bis hin zum heftigen Klopfen auf den Rücken, die Taille oder der Schulter in Verbindung mit einem Schubser durch die Tür war alles vertreten. Eine Verhaltensweise, auf die gerade zu Beginn häufig mit Irritation und Schockstarre der Gäste reagiert wurde. Wer hier im Vorteil war, liegt auf der Hand.
Erstaunlicherweise blieb es dabei aber nicht sehr lange. Schnell lernten die Staatsmänner und Diplomaten dazu, indem sie dieses Verhalten durch gleiches Verhalten konterten. Eine nonverbale Entmachtung der Machtdemonstration.
Indem Sie sich also klar positionieren und den eigenen Machtbereich abstecken, haben Sie die Chance, diese Macht positiv einzusetzen. Das muss nicht zwingend mit einer Verletzung des Gegenübers einhergehen und kann sogar eine gute Basis für die weitere Zusammenarbeit bilden. Es schützt aber auch davor, zum Spielball eines Kontrahenten zu werden, der weniger verantwortungsvoll mit seiner Macht umgeht.
Wenn Sie nun auch Lust bekommen haben, mehr über Machtspiele und den positiven Umgang mit deren Regeln zu lernen, dann schauen Sie gerne auch nochmal auf meiner Seite zum Thema “Verhandlungen” nach!
Herzliche Grüße
Ihre Wiebke Marschner